Vorsicht bei Rückstau

Wer aufgrund eines Rückstaus im Kreuzungsbereich stehen bleibt, darf diesen vor dem annahenden Querverkehr räumen. Man darf aber nicht einfach ´darauf vertrauen, dass der Querverkehr sich hieran hält.

Das OLG Hamm hat hierzu entschieden, dass mit längerer Verweildauer auf der Kreuzung auch die eigenen Sorgfaltsanforderungen steigen und man muss sich vergewissern, dass eine Kollision mit dem Querverkehr ausgeschlossen ist.

Der Fall

Die Beklagte fuhr in einen Kreuzungsbereich bei Grünlicht ein und musste dann aufgrund eines Rückstaus des Linksabbiegerverkehrs hinter der Fluchtlinie halten. Die von ihr passierte Ampel zeigte schon mehr als 20 Sekunden Rot. Sie wollte die Kreuzung räumen und ließ bereits einige Autos aus dem Querverkehr passieren, bevor es im Kreuzungsbereich dann doch zu einem Zusammenstoß mit dem Kläger kam. Der Geschädigte verlangte rund 13.900 Euro Schadenersatz.

Die Entscheidung

Das OLG Hamm entschied, dass sie Autofahrerin in erheblicher Weise gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen habe. Zwar sei sie noch bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren und hätte den Rückstau grundsätzlich auch als gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigter Nachzügler räumen dürfen. Dabei habe sie aber nicht blindlings darauf vertrauen dürfen, vom Querverkehr vorgelassen zu werden.

Die Anforderungen an die Aufmerksamkeit erhöhten sich mit der Verweildauer im Kreuzungsbereich. Je länger sich ein Nachzügler also im Kreuzungsbereich aufhalte, desto eher habe er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr zu rechnen. Man müsse dann davon ausgehen, dass der übrige Verkehr aus dem eigenen Verhalten schließen könnte, dass man nicht weiterfahren werde. Deswegen dürfe man nach einer längeren Verweildauer nur dann weiterfahren, wenn man sich vergewissert hat, dass eine Kollision mit dem Querverkehr ausgeschlossen ist.

Der andere Fahrer treffe demgegenüber kein Verschulden, nachdem die Ampel bereits über 19 Sekunden Rotlicht gezeigt habe und vor ihm bereits weitere Fahrzeuge in seiner Richtung den Kreuzungsbereich passiert hatten. Er habe daher auf seine freie Durchfahrt vertrauen dürften und nicht mehr mit dem Weiterfahren der beklagten Autofahrerin rechnen müssen.

Oberlandesgerichts Hamm, Urteil vom 26.08.2016 – Az.: 7 U 22/16